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Shopping 4.0: Ein Ausblick auf die technologischen Weiten des Handels

Shopping 4.0: Ein Ausblick auf die technologischen Weiten des Handels

Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE, im Interview über die Kundenwünsche von morgen, den Wettkampf um digitale Technologien und neue Shopping-Trends im Jahr 2018.

Kunden haben heute viele Einkaufsmöglichkeiten. Hat das auch die Wünsche verändert?

Der Online-Handel mit seiner hohen Preistransparenz und der 24-Stunden-Verfügbarkeit hat die Ansprüche der Kunden enorm erhöht. Die Toleranz gegenüber fehlender Ware, langen Lieferzeiten oder für Probleme bei der Integration der verschiedenen Vertriebskanäle ist stark gesunken. Die Kunden von heute erwarten, dass der Händler sie über alle Kanäle und Prozessschritte hinweg mit einem abgestimmten Auftritt begleitet.

Wer beeinflusst diese Wünsche?

Die Kunden orientieren sich an den Branchenführern. Wenn diese als Online-Plattformen ein sehr großes Sortiment bieten, am gleichen oder am Folgetag liefern und aufgrund der Vielzahl vergangener Käufe passende Produktvorschläge anbieten können, dann legt dieser Anspruch die Messlatte für andere Händler sehr hoch.

Welchen Stellenwert nimmt die Auseinandersetzung mit Internet of Things (IoT) und digitalen Themen im Allgemeinen innerhalb des Handels ein, wie hoch ist der Leidensdruck für Veränderungen?

Dass am digitalen Wandel niemand vorbeikommt, ist inzwischen allgemein bekannt. Je länger mit der Einführung moderner Systeme und Technologien gewartet wird, desto größer wird die Lücke zu den Kundenerwartungen. Bis der Rückstand kaum mehr einholbar ist. Der Handel befindet sich in einem Wettkampf um das Wissen und den Einsatz von digitalen Technologien, in dem das erfolgversprechende Patentrezept noch nicht gefunden wurde. Aktivitäten wie die Gründung des Retailtech Hubs bei MediaMarktSaturn zeigen, wie groß das Interesse und die Hoffnungen sind, die in digitale Innovationen gesetzt werden. Dabei bietet auch IoT, also die Vernetzung von Gegenständen, große Potenziale. Ein Beispiel im Shop sind intelligente Regale, die automatisiert den Warenbestand erkennen und Nachbestellungen tätigen können. Zudem können vernetzte Gegenstände den Bestellprozess schon von zu Hause aus in Gang setzen – das kann der Amazon Dash Button genauso wie intelligente Waschmaschinen.

In welchem Bereich sehen Sie das größte Innovationspotenzial von IoT für den Handel?

Die größte Differenzierungsmöglichkeit im IoT-Umfeld ergibt sich derzeit durch die Verbindung von IoT-Tracking-Technologien im Store mit Kundeninformationen. Über die App des Handlers können Besuchern dann personalisierte Nachrichten erhalten und Angebote bekommen, wenn sie den Shop betreten oder sich einem bestimmten Produkt nähern. IoT ermöglicht somit die Kombination der Informationen, die online und offline gesammelt wurden, um höchst relevante Inhalte im richtigen Kontext an Besucher auszuspielen. Auf der Grundlage eines ausgefeilten Kundendatenmanagements bietet dies für Händler die Möglichkeit zur Differenzierung.

Muss aus dem Händler künftig durch die technologischen Entwicklungen ein Softwarespezialist werden?

Noch immer legen viele Händler die Verantwortung und damit auch das Wissen über ihre IT in die Hände von Drittanbietern, um sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Zum Vergleich: Zalando beschäftigt derzeit über 1600 Software-Entwickler und Datenspezialisten, Amazon ist letztes Jahr zum forschungsintensivsten Unternehmen der Welt aufgestiegen und verbündet sich mit Universitäten und Forschungszentren, um maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz voranzutreiben. Mit diesen Dimensionen zu konkurrieren, ist für einen mittelständischen Händler schlicht und ergreifend unrealistisch. Nichtsdestotrotz sind IT-Infrastruktur und Softwaresysteme zu Differenzierungsmerkmalen geworden, die Händler mit höchster Aufmerksamkeit beobachten und aktiv an die Unternehmensstrategie anpassen sollten. 

Ihre Einschätzung bitte. Bei allen technologischen Entwicklungen und Möglichkeiten: Wie weit ist der Kunde 2018 und was erwartet er?

Der Kunde beobachtet gespannt, was ihm vom Handel angeboten wird. Er belohnt echte Erleichterungen und beobachtet reine technische Spielereien durchaus kritisch. Am wichtigsten ist ihm beim Shopping Individualität und Passgenauigkeit – wie dies technisch erreicht wird, ist für ihn letztlich zweitrangig.

Welche Technologie ist Ihr heißer Tipp für 2018?

Voice first! Der Megatrend des Jahres 2018 sind digitale Sprachassistenten, die durch den interaktiven Kundenkontakt, personalisierte Angebote und die Kombination mit relevanten Inhalten das Entscheidungs- und Kaufverhalten der Kunden revolutionieren werden. Die Innovationsdynamik ist rasant: Blitzschnell konnte Echo Dot zum weltweit meistverkauften Amazon-Produkt aufsteigen und die verschiedenen Anbieter überschlagen sich mit neuen Funktionalitäten. Es wird spannend zu beobachten, wer sich langfristig am Markt durchsetzen kann – und damit zum persönlichen Wunscherfüller wird. Welche Bedeutung diese Rolle als Gatekeeper über den Kundenzugang für die Handelslandschaft hat, wird eine der zentralen politischen Fragen werden, die es zu beantworten gilt.

In die Zukunft geblickt: was wird in 5,10 oder 20 Jahren im Handel Standard sein?

Mit zunehmender Nutzung von Voice werden die Kunden ihre Bedürfnisse und Wünsche Ihrem Sprachassistenten mitteilen. Die Fähigkeit Daten zu analysieren und damit dem Kunden passgerechte Angebote und auch die präferierte Art des Einkaufes zu offerieren, wird zunehmend der Beginn der Customer Journey werden. Im Store selbst stelle ich mir das Shoppingerlebnis in etwa so vor: Nach Betreten des Shops werden mir die für mich persönlich wichtigen Informationen ins Blickfeld projiziert: Links die Liste der fehlenden Produkte aus dem Kühlschrank, rechts eine Erinnerung an den Geburtstag meiner Mutter und die Liste der Zutaten für ihren Lieblingskuchen. Wenn ich die Produkte in meinen selbstfahrenden Wagen lege, werden Sie automatisch durchgestrichen und verschwinden aus dem Blickfeld. Ein Roboter fragt mich nach eventuellem Informationsbedarf - zeitgleich leuchtet es rot auf: Bitte die andere Schokolade nehmen, diese hier ist nicht laktosefrei. Wenn alle Produkte eingepackt sind, werden mir noch ein paar letzte Vorschläge für passende Ergänzungen gemacht. Oder in Schnellversion: Rein in den Shop, das gewünschte Produkt herausnehmen und wieder gehen. Den Rest klären die Geräte untereinander.

Wann kommt der Shopping-Roboter?

Wir lassen uns von Robotern wie MediaSaturns „Paul“ im Geschäft den Weg zum Produkt zeigen, von Sprachassistenten wie „Alexa“ über Zutaten für ein Rezept informieren und von Logistikrobotern unsere Online-Einkäufe bis vor die Haustür bringen. Der Weg zum Einsatz der Shopping-Roboter hat längst begonnen.

Das Interview wurde in Auszügen auch im Artikel „Industrie 4.0: Chance und Herausforderung“ in der gedruckten Ausgabe der Internet World Business veröffentlicht.