Fakt ist: Jede sechste Onlinebestellung geht zurück – und ein Teil davon landet im Müll. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Data Science lassen sich clevere Modelle entwickeln, um Retouren zu minimieren. Das eröffnet zudem weitere Vorteile.
Die Bundesregierung will HändlerInnen gesetzlich dazu verpflichten, entsprechende Waren, so weit wie möglich, erneut zu verkaufen oder wiederverwertbar zu machen. Damit soll verhindert werden, dass eigentlich noch hochwertige Artikel vernichtet werden, dies ist insbesondere im Onlinehandel üblich, um Platz in den Regalen zu schaffen oder weil zurückgesendete Artikel wegzuwerfen günstiger ist als sie erneut zu verkaufen.
Dieses Gesetz wird viele Online- und Versandhändler vor massive Probleme stellen. Grund genug, sich ein paar Gedanken zu dieser Thematik und deren Lösung zu machen.
Sobald das Versandunternehmen Retouren erhält, muss es sich folgende Fragen stellen:
- Wie viele Retouren sind insgesamt pro Zeiteinheit und Periode zu erwarten?
- Welcher Art werden diese Retouren sein, d.h. was ist der Grund für den Rückversand und um welche Produkte geht es hauptsächlich?
- Wie hoch wird der Aufbereitungsaufwand sein?
- Welche Art von Bestellung bedingt welche Retouren (Art, Zustand, Menge)?
- Gibt es Kundenprofile, die besonders wenig, oder auch besonders viele Retouren verursachen?
- Bei welchem Kundentyp habe ich mit welcher Art von Retoure und welcher Häufigkeit zu rechnen?
- Wie viele interne Ressourcen und Mitarbeiter muss ich wann und wie einsetzen, um diese Retouren aufzuarbeiten?
Kundenprofile auf Basis von Analysen und Modellen
Ein wesentlicher Baustein zur Lösung dieser Anforderungen sind Data-Science- und KI-Verfahren, die mit mathematisch-statistischen Methoden geeignete Vorhersagemodelle entwickeln. Aber auf was stützen sich nun die Analyse und Modellerstellung in der Praxis?
Vor allem auf historische Daten wie dem Bestellverhalten, historischen Kundentransaktionen, der Bestellhistorie und manchmal auch elektronischem Schriftverkehr (E-Mails oder soziale Medien). All diese Informationen werden mit einem geeigneten Algorithmus oder Verfahren des maschinellen Lernens zu einem oder mehreren Modellen verrechnet.
Konkret gibt eine derartige Modellierung folgende Einblicke:
- zeit- und saisonabhängige Vorhersagen zu den Mengengerüsten der zurückgesendeten Artikel
- tages- und wochenaktuelle Prognosen zu den benötigten Personalbedarfen
- typische Profile von Rücksendern
- Produkte und Produktkombinationen, welche besonders häufig zurückgesendet werden
- Aufwandsabschätzungen, die für die Aufbereitung und Wiederverwertung nötig sind
- kundenspezifische Affinitätsprofile
- gezieltes Kampagnenmanagement betreiben und
- Vorhersagen zur Kaufwahrscheinlichkeit bestimmter Produkte.
Mit diesen Informationen können anschließend geeignete Maßnahmen ergriffen und Strategien entwickelt werden, um Retouren zu vermeiden.
Das könnten im Einzelnen zum Beispiel detaillierte Produktbeschreibungen sein, die vom KI-Modell gesteuert werden oder maßgeschneiderte, profilspezifische Beratung im Kundencenter. Eine weitere Möglichkeit wäre bereits im Vorfeld, also bevor die Bestellung eingeht, Änderungen im Bezahlsystem bzw. den Bezahlmöglichkeiten vorzunehmen. Oder es werden Maßnahmen ergriffen, die „ungehemmtes“ Bestellverhalten regulieren.
Für HändlerInnen ergeben sich folgende Vorteile:
- Zeit- und Kostenersparnis in zahlreichen Geschäftsbereichen
- effizienter Personaleinsatz, bessere Planungsgrundlagen
- erhöhte Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität wegen besserer Fallabwicklung
- oft höhere Wertschöpfung und erhöhte Verkaufspotenziale aufgrund besserer und personalisierter Kundenansprache.
von Dr. Christian Trippner