- Ob online, mobil oder stationär – der Sprung zwischen verschiedenen Vertriebskanälen ist für ein optimales Shoppingerlebnis heute längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Nicht allerdings die Steuerung des kanalübergreifenden Vertriebs. Für viele Multi-Channel-Händler stellt die Integration der einzelnen Absatzkanäle noch immer eine große Herausforderung dar. Jörg Frey, Geschäftsführer des Softwareunternehmens Lexware, zeigt auf, welche digitalen Lösungen für welchen Multi-Channel-Händler besonders geeignet sind.
In der fünfteiligen Kolumne „Digitalisierung wagen“ bietet der Softwarehersteller Lexware praxisnahe Lösungsansätze, Empfehlungen und Inspirationen rund um das Thema Digitalisierung im Einzelhandel.
Folge #1: Loslegen, weiterkommen: Welche digitalen Lösungen den stationären Handel voranbringen
Folge #2: Aufs Ganze: Digitale Lösungen zur Prozessoptimierung im Online-Handel
Folge #3: Kanal-Chaos ade: Digitale Lösungen für den Multi-Channel-Handel
Folge #4: OnPremise vs. Cloud: Darauf kommt es bei der Systemauswahl an
Folge #5: Vernetzte Prozesse statt Silos: Von isolierter Warenverwaltung zur ganzheitlichen Customer Experience
Das stationäre Ladengeschäft ist nach wie vor der meistgenutzte Vertriebskanal für viele kleine Einzelhändler:innen. Doch digitale Absatzkanäle wie der eigene Online-Shop gewinnen zunehmend an Bedeutung. Nicht erst die Corona-Krise hat gezeigt: Diversifizierung ist eine wichtige Strategie für den Einzelhandel. Denn auch nach Corona wird besonders die junge Generation, so das Ergebnis einer jüngsten Verbraucherbefragung von Paysafe, langfristig nicht mehr in die Geschäfte zurückkehren. Stattdessen wollen junge Kund:innen weiterhin online einkaufen. Stationäre Einzelhandelsunternehmen sollten daher prüfen, ob sich nicht eine Transformationsstrategie zum Multi-Channel-Commerce lohnt.
Multi-Channel-Strategien haben zum Ziel, der Kundschaft eine größtmögliche Freiheit bei der Wahl ihres Einkaufsortes zu geben. So bieten Multi-Channel-Unternehmen ihre Produkte auf verschiedenen Online-Kanälen wie den Sozialen Medien, Online-Marktplätzen wie Amazon oder Ebay oder dem eigenen Online-Shop an. Zusätzlich sind Sie auch im stationären Handel für die Kund:innen verfügbar.
Warenwirtschaftssystem für den Multi-Channel-Handel: Wer seine Produkte auf vielfältigen Kanälen vertreibt, muss sein Lager im Griff haben. Doch laut ibi Research können nur 30% der kleinen Einzelhändler:innen auf digitale Daten zum Lagerbestand zugreifen. Das ist umso schwerwiegender, da gerade für den Aufbau eines Multi-Channel-Verkaufs der Echtzeit-Überblick über Bestände und Verfügbarkeiten erfolgskritisch ist.
Um Chaos im Bestandslager, Lieferengpässe und unzufriedene Kund:innen zu vermeiden, sollte das zentrale Warenwirtschaftssystem auch den Versand abdecken und offen sein, um Kassen-, Shop- und Versand-Systeme über Schnittstellen zu integrieren und so auch den Vertrieb über den Online-Shop und auf Marktplätzen in die Wege zu leiten. Auch für zukünftige Szenarien wie den Einsatz von Tablets im Laden zur Stichworteingabe und Verknüpfung mit Produktgruppen, für erläuternde Texte zu den Produkten, dem Ausdruck von „Produktpässen“ oder sofortige Verfügbarkeits-Checks ist eine Echtzeittransparenz über alle Warenbestände essenziell.
ERP-System für den Multi-Channel-Handel: Bei komplexen und auf Wachstum ausgerichteten Einzelhandelsunternehmen lohnt sich ein ERP-System, denn schnell stoßen Händler:innen mit einem reinen Warenwirtschaftssystem an ihre Grenzen. ERP-Systeme entfalten die volle Kraft der Digitalisierung, denn sie bilden, anders als ein Warenwirtschaftssystem, die ganze Bandbreite der Unternehmensprozesse digital ab: Vom Einkauf über das Marketing, CRM und Verkauf bis hin zum Lagermanagement, der Finanzbuchhaltung und dem Personalmanagement werden alle Prozesse zentral im ERP-System vernetzt und gemanagt. So werden zahlreiche Einzelsysteme abgelöst und die Zusammenarbeit intern (Mitarbeitende, Abteilungen) und extern (Lieferanten, Logistiker, Kundschaft, Partner) digital vernetzt.
Das Angebot an ERP-Lösungen ist riesig – es reicht vom Standardsystem bis hin zur Branchenlösung. Grundsätzlich sollte bei der Wahl eines ERP-Systems bedacht werden, wohin sich das Unternehmen entwickeln will. Mehr Lagerflächen, neue Bezahl- und Versandoptionen, Sortimentserweiterung, Kundenportale, Produkt-Konfiguratoren? Genauso flexibel sollte dann das System sein: am besten Cloud-basiert, modular aufgebaut, mit offener API-Struktur für die Skalierung und Integration immer neuer Drittservices. Denn so haben Händler:innen nicht nur alle Prozesse im Griff, sondern differenzieren sich auch vom Wettbewerb, etwa durch kundenzentrierte Omni-Channel-Szenarien.
Fazit: Digitalisierung hat viele Gesichter – und ist ein schrittweiser Prozess
Die Digitalisierung bietet für den Einzelhandel zahlreiche Chancen: Neben der Vereinfachung grundlegender Unternehmensabläufe und mehr Zeitersparnis schafft sie vor allem Mehrwerte: Neue Produkte und Dienstleistungen, nahtlose, kanalübergreifende Kommunikation mit Kund:innen, langfristige Umsatzsteigerung und Neukundenakquise sind die erwiesenermaßen größten Potenziale für Händler:innen.
Dabei ist die Digitalisierung eine Reise: Händler:innen sollten sich nicht verzetteln, sondern schrittweise vorgehen: Beispielsweise damit loslegen, mit ihren Angeboten und Produkten auch online lokal gefunden zu werden, dann schrittweise neue Kanäle eröffnen und damit beginnen, die für den individuellen Erfolg des Handelsunternehmens wichtigsten Abläufe zu digitalisieren. Schritt für Schritt. Aber konsequent.
Denn eines ist sicher: So vielfältig die digitalen Möglichkeiten sind, die Digitalisierung wird nicht verschwinden. Abwarten ist keine Option mehr, wenn wir verwaisten Einkaufsstraßen und geräumten Schaufenstern den Kampf ansagen und Vielfalt und Freude zurück in die Innenstädte bringen wollen.
Erkennungsfaktoren, die für ein ERP-System sprechen
- komplexer werdende Filialstrukturen
- vielfältiges oder wachsendes Produktsortiment
- komplexe Einkaufsprozesse und Lieferantenbeziehungen
- Mehrere (Innen- und Außen-) Lager und Dropshippingszenarien
- diverse Verkaufs- und Kommunikationskanäle (Multi-Channel, Omni-Channel)
- Abteilungsübergreifendes und rollenbasiertes Arbeiten
- kritische Informationsflüsse und Echtzeitdaten