Wie Christine Lacroix mit der Aktion Plagiarius Produktpiraten den Wind aus den Segeln nimmt
Ich möchte Ihnen in meiner Kolumne diesen Monat Christine Lacroix vorstellen. Sie rückt als Pressesprecherin des Negativpreises „Plagiarius“ jährlich den Diebstahl geistigen Eigentums in den öffentlichen Fokus. Die Aktion und ihr Engagement zeigen Herstellern, Handel und Verbrauchern wie ernst die Bedrohung durch Produkt- und Markenpiraterie ist.
Am 26. April ist jährlich der Welttag des geistigen Eigentums. Perfektes Timing für die „Aktion Plagiarius“, um einen Tag vorher im Rahmen einer Pressekonferenz und Preisverleihung den Spot auf die dreistesten Fälschungen des Jahres zu richten. Ich selbst hatte im vergangenen Jahr die Ehre, als Jurymitglied mitzuerleben, mit wie viel Verve und Herzblut Christine Lacroix den Wettbewerb plant und durchführt.
Auch in diesem Jahr, zum 46. Mal übrigens, kürt die aktuelle Jury besonders dreiste Plagiate und Fälschungen. Die Trophäe des Schmähpreises ist ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase. Er symbolisiert die immensen Profite, die ideenlose Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten von Kreativen und innovativen Unternehmen erwirtschaften. Plagiate sind kein Kavaliersdelikt. Das betonte auch die diesjährige Laudatorin der Preisverleihung, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg. Sie stellte die immense Bedeutung von geistigem Eigentum für die Sicherung von Arbeitsplätzen, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt ihrer Rede.
Ich bin mit meinem Unternehmen Sentryc seit unserem Gründungsjahr Fördermitglied der Aktion Plagiarius e.V. Damit stehe ich voll und ganz hinter den Aktivitäten, die sich gegen rücksichtslosen Ideenklau und für mehr Wertschätzung kreativer Leistungen richten. „Jeder Hersteller und jeder seiner Handelspartner weiß, wie anspruchsvoll und kostenintensiv der Weg von einer ersten Idee bis hin zum marktreifen Endprodukt ist. Design- und Ingenieursleistung erfordern nicht nur komplexes Fachwissen, sondern auch ein Gespür für Märkte, Trends, nachhaltige Produktion und wirtschaftliche Machbarkeit. Ebenso spielen Qualitäts- und Sicherheitskontrollen, Zertifizierungen, Verpackungsdesign und vieles mehr eine wichtige Rolle“, schreibt Christine Lacroix zu recht in ihrer aktuellen Pressemeldung.
Trittbrettfahrer treten Innovationsgeist und Qualitätsansprüche mit Füßen, wenn sie erfolgreich am Markt etablierte Produkte 1:1 kopieren, diese ungeniert als eigene Leistung ausgeben, zu einem vermeintlich günstigeren Preis anbieten und so unberechtigterweise Marktanteile und Gewinne des Originalherstellers abschöpfen. Nachahmer verwenden zudem häufig zur Profitmaximierung billige, umweltbelastende Materialien und verzichten auf Qualitätskontrollen ebenso wie auf Sozialstandards in den Fälscherwerkstätten.
In der Pandemie trieb dieses falsche Spiel schnell angepasste Blüten: Ob Lockdown oder Lieferengpässe von relevanten Gütern wie Masken oder Halbleiterchips – Plagiatoren konnten vermeintlich jeden Bedarf bedienen, insbesondere über das Internet und Fake-Shops, die wie Pilze aus dem Boden schossen.
Im Rahmen der Pressekonferenz zum diesjährigen Plagiarius appellierte Dr. Aliki Busse, Fachanwältin für gewerbliche Schutzrechte und 2. Vorsitzende der Aktion Plagiarius, daher an Betreiber von eCommerce Plattformen und Online-Händler, ihre Verantwortung stärker anzunehmen. So fordert sie, dass gewerbliche Händler ihre Identität klar und nachweisbar mit Lichtbildausweis, Steueridentifikationsnummer, Bank- und Kontaktinformationen verifizieren und sich an geltendes Recht im Absatzmarkt halten müssen. Zudem müssten die Betreiber technisch sicherstellen, dass rechtsverletzende, bereits gelöschte Angebote, nicht unter anderem Namen wieder hochgeladen und angeboten werden können und auch die Gesetzgebung ihren Teil dazu beiträgt, Missbrauch zu verhindern.
Das Bewusstsein für Aufklärung und Nachverfolgung im Feld Marken- und Produktpiraterie ist in den vergangenen Jahren gestiegen und die Öffentlichkeitsarbeit von Christine Lacroix trug ihren Teil dazu bei. Für diese Plattform, für die Mitglieder des Handelsverbands, wollte ich ihre persönliche Meinung einholen und auch erfahren, welche Rolle der Handel hierbei einnehmen kann.
Liebe Frau Lacroix, wer mit Ihnen zum Thema Produktfälschungen im Austausch steht, spürt Ihr Engagement. Haben Sie den Eindruck, dass Sie aus der deutschen Wirtschaft und vom Handel ausreichend Zustimmung und Unterstützung erhalten?
Die Teilnehmer des Wettbewerbs sind immer wieder positiv überrascht über die enorme Reichweite in den Medien und die abschreckende Wirkung unseres Negativpreises auf die Nachahmer. Zahlreiche Nachahmer haben bereits aus Angst vor der Prämierung mit dem „Plagiarius“ eine Einigung mit dem Originalhersteller gesucht und beispielsweise Restbestände der Plagiate vom Markt genommen, Unterlassungserklärungen unterschrieben oder ihre Lieferanten offengelegt. Das freut uns natürlich sehr. Wünschenswert wäre es allerdings, wenn wir mehr finanzielle Unterstützung aus der Industrie hätten, zum Beispiel in Form von Fördermitgliedschaften.
Das kann ich gut nachvollziehen. Um die Tragweite den Leser:innen gegenüber zu verdeutlichen: Was waren Ihre Negativ-Top 3 in puncto Fälschungen?
Besonders skrupellos finde ich Fälschungen, von denen ernsthafte Risiken für die Nutzer ausgehen: Wir hatten schon nachgemachte Motorsägen, bei denen der Auslösehebel für die Kettenbremse bereits in der Verpackung abgebrochen war. Oder gefälschte Autofelgen, die beim TÜV-Belastungstest nach kurzer Zeit auseinander gebrochen sind. Sprachlos gemacht haben mich auch nicht funktionsfähige Notfall-Beatmungsgeräte sowie wirkungslose Medikamente und Impfstoffe.
Darüber hinaus zeigen wir im Museum Plagiarius nachgemachte Designer-Armaturen, die - von außen nicht zu erkennen - mit billigen Bleirohren ausgestattet sind. Mit jedem Händewaschen und Zähneputzen nehmen Benutzer:innen Bleiwerte über die Haut auf, die 70 Prozent über den in Deutschland zulässigen Werten liegen.
Da schließt sich mir natürlich die Frage an, was Hersteller und Online-Handel leisten können, um Verbraucher:innen zu schützen?
Hersteller sollten offen mit dem Thema umgehen, Käufer:innen über Aufklärungskampagnen warnen und sie für ihre Originalprodukte begeistern. Hier ist es wichtig, den Mehrwert des Originals klar zu kommunizieren und auch gemeinsame Aktionen mit dem Handel umzusetzen.
Online-Handelsplätze sollten sorgfältigen Einkauf und die Auswahl der Verkaufspartner:innen priorisieren. Dazu gehört auch, die Verantwortung für Produktqualitäten anzunehmen, also sichere Waren anzubieten, die keine IPR, keine Schutzrechte Dritter verletzen. Über die Autorisierungsplattform authorized.by® zum Beispiel autorisieren Marken und Hersteller vertrauenswürdige Online-Partner durch ein branchenübergreifendes Echtzeit-Siegel. Das trägt zu mehr Vertrauen und Sicherheit im digitalen Handel bei.
Zum Schluss interessiert mich natürlich noch, wer in diesem Jahr den ersten Platz beim Plagiarius mit nach Hause nehmen musste …
Die kriminelle Fälscherbranche zeigte sich auch in diesem Jahr wieder von stoisch-skrupelloser Seite: Den ersten Hauptpreis vergaben wir an ein australisches Verlagshaus, das ein designprämiertes Mehrweg-Besteck-Set mit Namen KLIKK des Originalherstellers koziol im Rahmen einer Loyalty-Kampagne plagiierte. Die Fälschung ist aus ungeeignetem Kunststoff produziert, der sich nach kürzester Zeit verformt und damit das Besteck nach wenigen Einsätzen völlig unbrauchbar macht. Darüber kann auch der niedrige Preis - ca. ein Drittel des Originalpreises - nicht hinwegtrösten. Alle Preisträger veröffentlichen wir auch auf unserer Webseite www.plagiarius.com
Nicole Hofmann ist Expertin im Themenfeld Produkt- und Markenschutz. Sie unterstützt Unternehmen im Kampf gegen internationale Produktpiraterie und Markenmissbrauch im Internet. Die Tech-Unternehmerin und Gründerin aus Berlin spricht mit Verve über Potenziale des Deutschen Mittelstands und über Stolpersteine im E-Commerce und Social Selling.