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Blogreihe: Digitalisierung im Einkauf - Teil 1: Die Basis

Weil das Sortiment immer der Star bleiben wird

Ein Plädoyer für frische Organisationsstrukturen im Handel und die Position des Category CEOs

Was macht Handelsunternehmen heute, nach der Multikrise, widerstands- und wachstumsfähig? Dieser zentralen Frage werde ich zukünftig an dieser Stelle nachgehen und dabei die Zukunft des Retails mit der Einkaufs- und Sortimentsbrille betrachten.

Lassen Sie uns dafür über Category Management sprechen. Darüber, wie Handelsunternehmen über eine klare, ganzheitliche Sortimentsstrategie Margen verbessern, den Kundenfokus schärfen und Wachstumsimpulse geben. In diesem Kontext beobachte ich einen eindeutigen Trend:  Erfolgreich agieren die Unternehmen, die Category Management ganzheitlicher betrachten als ihre Mitbewerber. Sie setzen ihren Chief Product Officer an Entscheider-Position und geben ihm den Freiraum, zum Dreh- und Angelpunkt für Wachstum und Profitabilität zu wachsen. „Become the CEO of your Category“ lautet das Credo amerikanischer Handelsunternehmen, die sämtliche Leistungsmerkmale diesem Ordnungsprinzip konsequent unterordnen. Costco Wholesale oder Home Depot sind prominente Beispiele aus den USA, die Category Management strategisch, taktisch und organisatorisch gut umsetzen. In Europa fallen mir außerhalb des Lebensmittel-Einzelhandels IKEA und Sephora als Vorzeigeunternehmen ein.  

 

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Bildunterschrift: Bitte nachmachen! IKEA punktet mit ganzheitlich betrachteter Sortimentsstrategie

Bildrechte: IKEA Deutschland/André Grohe  

 

Category Management wirkt

Die Studien über die Wirksamkeit von modernem Category Management sind eindeutig – auch wenn sich die meisten Analysen leider nur auf den US-amerikanischen Markt beziehen. Bis zu 10% höheres Umsatzwachstum, verbesserte Warenverfügbarkeit bei gleichzeitig reduzierten Beständen und deutlich bessere Einkaufskonditionen sind nur die offensichtlichsten Vorteile, die smarte CM-Methoden mit sich bringen. Am wichtigsten ist aber vermutlich der positive Effekt auf die Kundenzufriedenheit. Wo Companies eine klare Kategorie-Strategie verfolgen, folgen im Idealfall alle kundenrelevanten Leistungsparameter dieser Strategie. Soll heißen, Sortimentsauswahl, Marken- und Lieferantenstrategie, Pricing, Produkt- Platzierung, Marketing und Bestandsführung erfolgen nicht nach einheitlichen Finanz-KPIs, sondern nach kategoriespezifischen Kennzahlen.

Hierzu ein Beispiel: Eine Profilierungs-Kategorie – also der Category Killer – funktioniert nur, wenn Markenauswahl, Sortimentstiefe und Verfügbarkeit weit über dem Markt-Niveau positioniert sind. Ähnliches gilt für Pricing, Marketing und Produkt-Platzierung – die Profilierungs-Kategorie muss aus dem Vollen schöpfen. Anders sieht es bei einer Ergänzungs-Kategorie aus. Hier müssen Entscheidende vor allem auf Effizienz, Produktivität und Cross-Selling Effekte achten.  

 

Typische Fehler bei der Umsetzung

In der Theorie präsentiert sich das Idealszenario als gar nicht so kompliziert: Man definiert entsprechend der eigenen Zielgruppen und der Unternehmensstrategie die jeweiligen Kategorie-Strategien und passt dann alle genannten Kennzahlen an die jeweilige Strategie an.

In der Praxis sind viele Handelsunternehmen von diesem Idealzustand weit entfernt: Das Sortiments- oder Category Management definiert zwar die jeweiligen Kategorie-Strategien, hat dann aber nur noch begrenzten Einfluss auf die weiteren Parameter, insbesondere Marketing, Pricing und Bestandsführung. Dadurch kommt es zu zahlreichen Verwerfungen, bei denen operative Maßnahmen, Kundenwahrnehmung und Sortimentsstrategie nur bedingt zusammenpassen.

Das einfachste Beispiel liefert immer wieder das Bestandsmanagement, das meistens mit Hilfe von Finanz- und Logistikkennzahlen optimiert wird – nicht aber entlang der verabschiedeten Sortimentsstrategie. Die Sortimentstiefe in einer Profilierungskategorie führt mehr oder weniger automatische zu höheren Lagerreichweiten, die immer wieder zum Konfliktunkt mit dem separat geführten Bestandsmanagement führen. Nicht weniger problematisch wird es, wenn sogar Einkauf und Category Management organisatorisch voneinander getrennt arbeiten: Dann gehen Marken- und Lieferantenstrategie ganz schnell getrennte Wege und effektive Ergebnisse werden verfehlt. 

 

Structure follows Strategy

Die skizierten Umsetzungsprobleme haben häufig den gleichen Ursprung: Die Organisation ist ganz klassisch nach funktionalen Kriterien strukturiert (Einkauf, Sortiment, Bestand, Pricing, Marketing) und widerspricht damit dem strategischen Kerngedanken des Category Managements. So budgetiert jeder Bereich seine Kennzahlen nach eigenem Gusto und Interessenkonflikte zwischen den Abteilungen lassen nicht lange auf sich warten.

Aus diesem Dilemma rührt der Ruf amerikanischer Handelsunternehmen nach der Position des Category CEO. In diesem Modell ordnen Verantwortliche die funktionalen Organisationsprinzipien der übergreifenden Sortimentsstrategie unter. Der jeweilige Category Manager steuert in einer Matrix die unterschiedlichen Fachbereiche, die KPIs werden mit der Kategorie-Strategie abgeglichen und durch Experten umgesetzt. Aber auch hier gibt es Tücken: So neigen Category CEOs dazu, ihre jeweilige Kategorie einseitig nach Umsatz oder EBIT zu optimieren – und zwar unabhängig von der verabschiedeten Kategorie-Strategie. Die Summe der besten Einzelergebnisse entspricht aber nicht dem Optimum für das Unternehmen. Der Chief Product Officer muss in diesem Fall sehr genau darauf achten, dass seine Category Manager ihren Bereich entsprechend der festgelegten Strategie optimieren.

Als Querschnittsfunktion sollte ein solches Team noch von Datenanalysten unterstützt werden, die relevante Auswertungen sowohl für Einkauf, Sortiment, Bestand und Pricing durchführen können.

 

Hohe Anforderungen an den Category CEO

Das Modell des Category CEOs impliziert eine zweite, nicht zu unterschätzende Herausforderung: Die Anforderungen an die jeweiligen Manager sind extrem hoch, sowohl in fachlicher Hinsicht als auch für die Funktionen Führung und Management.

Viele Category Manager starten aus guten Gründen im Einkauf. Hier lernen sie wesentliche Skills im Lieferantenmanagement sowie für Verhandlungsführung. Parallel sammeln sie Produkt- bzw. Sortimentskenntnisse. Doch Der Category CEO muss sich im nächsten Schritt vom Einkaufs- und Produktspezialisten zu einem General Manager weiterentwickeln. P&L Verantwortung, Stakeholder-Kommunikation und vor allem die Koordination aller Fachbereich erfordern ein hohes Maß an Managementkompetenz.

Der beste Weg dorthin sieht idealtypischer Weise so aus: Start im Einkauf, Spezialisierung in einer Kategorie, Übernahme von bereichsübergreifender Projektverantwortung, Wechsel in den Vertrieb und zurück ins Category Management als Senior Category Manager.  

Warum empfehle ich einen Wechsel in den Vertrieb? Hierzu gibt es zwei Gründe: Erstens pflegen Vertriebsmitarbeitende den engsten Kundenkontakt – das sensibilisiert für wahre Kundenbedürfnisse und stellt eine unabdingbare Eigenschaft für erfolgreiche Category Manager dar. Außerdem beobachte ich, dass viele Einkäufer Vertriebstätigkeiten meiden. Das ist nicht verwerflich, aber ein gutes Indiz dafür, dass der Weg zum Category CEO für denjenigen weniger geeignet ist. 

Nur die fortschrittlichsten Companies schaffen eine solche durchgängige Karriereplanung und beginnen früh damit, ihre besten Talente im Einkauf zu sichten. Dieses Scouting sollte zur Pflichtaufgabe für jede HR-Abteilung eines Handelsunternehmens werden.

 

Fazit

Category Management ist für viele Handelsunternehmen das vielleicht wichtigste Instrument für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Das C-Level ist aufgerufen, Category Management ganzheitlich zu leben und umzusetzen – und so entsteht das Konzept für den Category CEO. Dieser Change-Prozess stellt hohe Anforderungen an Organisation und Management. Nur die besten Talente werden den Weg dorthin schaffen – und benötigen schon früh die Unterstützung von HR und dem Top Management.

 

Über den Autor:

Ralf Maurer ist ein international erfahrener Unternehmenslenker mit klarem Fokus auf Category Management. Er verantwortete auf seinem Karriereweg den Wachstumskurs namhafter Handels- und Distributionsunternehmen wie der Rubix Group International Ltd, der BPW Group und der Europart Holding GmbH. 2023 gründete der langjährige Geschäftsführer und Chief Product Officer Wertify Consulting. Die Boutique-Beratung für mittelständische Handels- und Industrieunternehmen fokussiert sich auf Einkauf und Category-Management-Prozesse. Mit seiner Expertise bietet er seitdem von individuellen Beratungsprojekten über Einkauf- und Verhandlungstrainings bis hin zu Einkauf-Audits alle Disziplinen von Category Excellence an.

Ralf Maurer
Ralf MaurerGeschäftsführer & Chief Product Officer
Bildunterschrift / Bildrechte: Ralf Maurer

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