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China ist im Liveshopping-Rausch

China ist im Liveshopping-Rausch

Im Jahr 2020 ist der Umsatz mit Livestreaming-E-Commerce in China enorm angestiegen. Laut iiMedia Consulting soll der Umfang des chinesischen Livestreaming-E-Commerce-Marktes im Jahr 2020 961 Milliarden Yuan erreichen, was einem deutlichen Anstieg von 121,5 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Aber was macht das Einkaufen per Livestream eigentlich so besonders und warum kaufen chinesische Verbraucher so gern live am Bildschirm ein?

Livestreaming ist für Vermarkter keine neue und unbekannte Erfindung mehr. Und Teleshopping gibt es auch schon seit Ende der 1970er Jahre. Einer der bekanntesten Player weltweit, wenn es um Teleshopping im Fernsehen geht, ist sicher QVC. Allerdings wird das traditionelle TV-Shopping von modernen Einzelhändlern und Brands mittlerweile weniger angenommen, da die Produktion einer solchen Show kostspielig ist und es nur begrenzte Möglichkeiten gibt, das Publikum zu erreichen – nur ein Zeitfenster auf einem Kanal. Online-Livestreaming bietet hier eine gute Alternative.

Livestreaming ist allerdings nicht einfach nur die Online-Version des TV-Shoppings. Es ist mehr als das, denn es verbindet mobile Technologien mit einer Reihe von sozialen Funktionen und es ist praktisch für jeden umsetzbar. Und in China hat dieses neue Format eingeschlagen wie bisher nirgendwo sonst auf der Welt. Verständlich, denn die Chinesen sind die wohl digitalste Gesellschaft der Welt.

Wie funktioniert Liveshopping in China und was macht es so besonders?

Die traditionellen Moderatoren sind gut ausgebildete Profis, aber im Grunde kann jeder mit einer einfachen Ausstattung live senden: Mobiltelefon, Licht, ein optisch schöner Hintergrund, ein drahtloses Mikrofon - das ist alles, was man für einen Livestream braucht. Livestreaming im Internetzeitalter macht die Produktion einer Live-Sendung unglaublich einfach und zugänglich.

Aber es ist nicht nur der technische Fortschritt, der beim Liveshopping anders ist als bei Teleshopping. Die Moderatoren und das Format an sich haben sich auch verändert.

Während der Livestream-Events können Unternehmen zeigen, wie das Produkt aussieht und wie es verwendet werden kann. Im Vergleich zu statischen Bildern oder Videos bietet der Livestream eine persönliche Komponente durch die Moderatoren. Die Kunden können einen genaueren Blick auf das Produkt werfen, was ihnen eine schnellere Kaufentscheidung ermöglicht. Erfahrene Moderatoren verfügen über eine starke Überzeugungskraft, und sie schaffen es innerhalb kurzer Zeit, den Teilnehmer:innen der Liveshow die Verkaufsargumente für die Produkte zu vermitteln, sie persönlich zu demonstrieren und einen zeitlich begrenzten Rabatt anzubieten, den die Kunden nicht ablehnen können. Letzteres ist ein ganz besonderer Hebel, der in China praktisch vorausgesetzt wird.

Livestreams sind interaktiv, denn die Zuschauer können zu jeder Zeit Fragen stellen und erhalten sofort Antworten von den Moderatoren. Sie können sich zudem mit anderen Zuschauern austauschen – der größte Unterschied zu traditionellem Teleshopping, bei dem Zuschauer oft allein zuhause vor ihrem Fernseher sitzen. Das moderne Liveshopping ist keine Einbahnstraße, bei der Moderatoren im TV die Produkte anpreisen und Zuschauer nur zuschauen.

Um die Kunden dazu zu bewegen, sich die Sendungen in voller Länge anzusehen, entwickeln die Moderatoren auch viele besondere Veranstaltungselemente. Sie laden z. B. Prominente in die Sendung, veranstalten eine Verlosung gegen Ende des Livestreams, oder vergeben mitten in der Sendung Gutscheine und Werbegeschenke, wenn die Zuschauer:innen ihr Engagement im Chat erhöhen – das will natürlich niemand verpassen. Man bleibt dran und macht aktiv mit.  Untersuchungen von iiMedia haben ergeben, dass Kunden zunehmend aktiv an Livestream-Kampagnen teilnehmen: 20 % zeigen einen starken Anstieg der Engagement-Rate, während 31,3% einen leichten Anstieg des Engagements verzeichnen.

Austin Li und Viya: Chinas Liveshopping-Stars

Einer der beliebtesten Moderatoren ist Jiaqi (Austin) Li, auch bekannt als "der Lippenstiftkönig". Mit über 6,5 Millionen Anhängern, die seinen Livestream auf Taobao Live abonnieren, und einem nächtlichen Publikum von 2 Millionen Zuschauern hat Austin Li einmal 15.000 Lippenstifte in 5 Minuten ausverkauft. Seine Motivations-Slogans "OMG! Schwestern, kauft das!", oder "Seid ihr bereit zu kaufen, zu kaufen und zu kaufen?" regten viele Verbraucher zu Bestellungen an. Darüber hinaus kaufen 26,7% der Nutzer auch Produkte aufgrund der Atmosphäre im Livestreaming-Raum, was darauf hindeutet, dass die starke Interaktivität des Livestreaming-E-Commerce den Verkauf von Waren fördern kann.

Kim Kardashian Wests Kosmetikmarke "KKW Beauty" trat letztes Jahr in den chinesischen Markt und nutzte große Livestream-Moderatoren, um dort Fuß zu fassen. Im Jahr 2020 eröffnete KKW Beauty einen Flagship-Store auf Tmall Global und startete ein Livestreaming-Event in Zusammenarbeit mit der großen chinesischen Livestream-Influencerin Viya. Bevor das Livestreaming begann, waren bereits 6.000 Flaschen des KKW-Parfums im Rahmen einer Vorverkaufsaktion verkauft. Berichten zufolge wurden bis zum Ende des Livestreaming-Events durch die ausdrückliche Empfehlung von Viya insgesamt 15.000 Flakons des KKW-Parfums verkauft.

Livestreaming kommt im Westen an

Während Einkaufen via Livestream in China kein neuer Trend mehr ist, sondern praktisch Mainstream, fängt der Westen langsam an das Potential dieses Formats auch für sich zu entdecken.

Die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete vor einer Weile, dass die Popularität von E-Commerce-Livestreaming in China ein Vorbild für andere Länder sein könnte. Einzelhändler in den Vereinigten Staaten und Europa, die von den Einschränkungen der Corona Pandemie betroffen sind, halten E-Commerce-Livestreaming für ein neues, effektives Marketing-Format. Westliche E-Commerce-Plattformen beginnen, den erfolgreichen Beispielen chinesischer E-Commerce-Giganten zu folgen und ihre eigene Version des "Livestreaming“ zu fördern.

Amerikas E-Commerce Gigant hat als einer der ersten den Trend erkannt und bereits im April 2019 "Amazon Live" gestartet. Amazon Live bringt interaktive Live-Videos in das Amazon-Einkaufserlebnis, die es sowohl Amazon-Hosts als auch einzelnen Marken ermöglichen, mit Käufern in Echtzeit in Kontakt zu treten und Produkte interaktiv zu präsentieren und zu demonstrieren. Derzeit richtet sich Amazon Live nur an Verkäufer, die eine Markenregistrierung haben. Verkäufer, die bereits einen guten Kundenstamm haben und als Marke bekannt sind können Livestreaming dafür nutzen, sich noch mehr von Wettbewerbern abzusetzen.

Instagram hat seine Apps, einschließlich Instagram Live, um Shopping-Funktionen erweitert. Walmart ist vor kurzem eine Partnerschaft mit TikTok eingegangen, um seine Produkte per Livestream anzubieten.

Auch in Deutschland wird das Format immer beliebter. Douglas veranstaltet Liveshopping Events, um Produkte live an die Kunden zu bringen. Aber vor allem kleinere Brands nutzen Livestreaming via Instagram, um ihre Produkte vorzustellen und besser verkaufen zu können. Noch laufen die Kauf-Funktionen im Westen nicht so nahtlos wie in China, aber das Format entwickelt sich auch hier weiter. In China ist der Höhepunkt des Liveshopping-Hypes noch längst nicht erreicht und im Westen ist es noch nicht richtig durchgestartet, d.h. hier gibt es noch sehr viel Potential, sich als Top Livestreaming Brand zu positionieren.  Und das überschaubare Equipment macht es möglich: Handy, Stativ, Licht und Mikrofon sind alles, was Sie brauchen, um loszulegen – und einen smarten Verkäufertypen. In China sind zum Teil die Gründer und Geschäftsführer selbst vor die Handykamera getreten, um ihre Produkte zu erklären – auch das ist möglich.

Christina Richter
Christina RichterPersonal Branding und KommunikationsstrateginDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!