Die Europäische Kommission hatte am 25. Mai 2016 einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der eine Revision der Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (EG/2006/2004, „CPC-Verordnung“ genannt) vorsieht. Die Verordnung regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von nationalen Verbraucherschutzbehörden bei Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze durch Unternehmen.
Die zuständigen nationalen Minister hatten sich im Februar 2017 auf eine gemeinsame Position geeinigt, der Parlamentsbericht der sozialdemokratischen Berichterstatterin Olga Sehnalová (CZ) war Anfang April 2017 angenommen worden. Nun haben sich die Verhandlungsführer von Parlament, Rat und Kommission im Trilog auf einen abschließenden Text geeinigt.
Zu den wichtigsten Punkten der Einigung:
- In Bezug auf die besonders bedenklichen sog. „Mindestkompetenzen“ für nationalen Verbraucherschutzbehörden (Artikel 8) ist der finale Text weniger präzise undetwas zurückhaltender als der ursprüngliche Vorschlag der Kommission. Die meisten Kompetenzen blieben jedoch erhalten, ihre Nutzung wurde allerdings eingeschränkt.
- Die zuständigen Behörden sollen demnach in der Lage sein
- „einstweilige Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu erlassen“. Diese Maßnahmen sind nicht weiter definiert.
- „sich darum zu bemühen, von dem für den Verstoß verantwortlichen Unternehmer Verpflichtungen betreffend die Einstellung des Verstoßes zu erhalten, oder solche Verpflichtungen zu akzeptieren“.
- „die Einstellung des Verstoßes durch den Unternehmer schriftlich anzuordnen“
- „die Einstellung oder das Verbot von Verstößen zu bewirken“
- Nur „wenn keine anderen wirksamen Mittel zur Verfügung stehen“, kann der Zugang zu einer Online-Schnittstelle beschränkt/gesperrt werden, bzw. angeordnet werden, dass beim Zugriff auf eine Online-Schnittstelle ein ausdrücklicher Warnhinweis an die Verbraucher angezeigt wird. Eine Behörde kann ebenfalls verlangen, bestimmte Inhalte zu entfernen und eine Domain oder Website vollständig zu schließen.
- Ob Behörden Ausgleichszahlungen verhängen können wird dem nationalen Recht überlassen, die Anordnung von Vertragsauflösungen und Gewinnabschöpfungen wurden aus den Mindestkompetenzen gestrichen.
- Nationale Behörden können beim Verstoß gegen Verbraucherschutzvorschriften nach wie vor Geldbußen verhängen, allerdings nur wenn nationale Rechtsvorschriften dies auch ausdrücklich vorsehen.
- Die zuständigen Behörden sollen demnach in der Lage sein
- Flankierend zu den eingeschränkten Befugnissen betont der finale Text in Artikel 9 Absatz 2 nun auch ausdrücklich das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Ausübung der Befugnisse aus Artikel 8 soll „verhältnismäßig“ und die entsprechenden „Durchsetzungsmaßnahmen der Schwere des Verstoßes und des potenziell verursachten Schadens angemessen“ sein. Zudem sollen nicht jeder zuständigen Behörde sämtliche Befugnisse übertragen werden, die entsprechende Ermächtigung soll den Mitgliedstaaten überlassen bleiben (Artikel 8, Absatz 1a).
- Die pauschale Verjährungsfrist von fünf Jahren (Artikel 4) für jedweden Verstoß wird gestrichen und Verjährungsfristen werden damit den Mitgliedstaaten überlassen.
- Die Frist für die Anwendbarkeit der Verordnung wurde letztlich von einem auf zwei Jahre ausgedehnt, was den Unternehmen eine längere Übergangszeit einräumt (Artikel 53 Absatz 2).
Allgemeine Bewertung: Bislang gab es beim Zusammenspiel der für die Durchsetzung dieser Verordnung verantwortlichen Institutionen (Bundesjustizministerium, Wettbewerbszentrale und Bundesverband der Verbraucherzentralen) keine Probleme oder Durchsetzungslücken. Ein Bedarf für die Ausweitung der Maßnahmen wurde von HDE-Seite daher nicht gesehen. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens konnten allerdings Verbesserungen erreicht werden. So wurde der Kompetenzenkatalog leicht eingeschränkt und klarere Bedingungen für die Anwendbarkeit der Befugnisse geschaffen. Auch der Wegfall der pauschalen Verjährungsfrist und die verlängerte Übergangsfrist sind aus Sicht des Handels als Erfolg zu werten.
Allerdings droht durch die überarbeitete Verordnung weiterer Druck auf das deutsche privatrechtliche Durchsetzungssystem, weil Mindestdurchsetzungs- und -ermittlungsmaßnahmen festgeschrieben werden, die Private nicht erfüllen können (z. B. die Abschaltung von Internetseiten). Auch die Diskussion über die Schaffung einer vollwertigen, mit umfangreichen Durchsetzungsrechten ausgestattete Verbraucherschutzbehörde bzw. der Umwandlung der Bundesnetzagentur oder des Bundeskartellamts in eine solche, könnten erneut angefacht werden. Onlinehändler müssen sich daher zumindest mittelfristig darauf einstellen, dass Behörden und Verbände in Zukunft noch genauer auf die Einhaltung der geltenden Verbraucherschutzvorschriften im Internet achten werden.
Nächste Schritte: Die finale Text wurde am 13. Juli 2017 vom EP-Binnenmarktausschuss per Abstimmung bestätigt. Um die Verordnung formell anzunehmen bedarf es nun noch der Abstimmungen im Parlamentsplenum und im Rat. Die Plenumsabstimmung ist für November 2017 geplant. Nach der Annahme wird das Gesetz im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt am 20. Tag nach dieser Veröffentlichung in Kraft.Zwei Jahre nach diesem Datum - voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2019 - wird die Verordnung dann direkt in den Mitgliedstaaten anwendbar werden. In Deutschland ist die Verordnung im Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz „umgesetzt“, welches voraussichtlich angepasst werden müsste.
>> Hier den finalen Text zur CPC-Verordnung des EP-Binnenmarktausschusses downloaden