Die Europäische Kommission startete im vergangenen Sommer einen sog. Fitness-Check der bestehenden EU-Verbraucherschutzgesetzgebung (REFIT). Um zu überprüfen, ob die Bestimmungen noch auf dem neuesten Stand sind und ihren Zweck erfüllen oder etwaige Änderungen vorgenommen werden müssen, führte die Kommission eine öffentliche Konsultation durch und nahm zusätzlich gezielte Befragung von Unternehmen vor.
Nun liegen die Ergebnisse dieser Untersuchung vor:
- Die Kommission kommt zu der Schlussfolgerung, dass die vorhandenen Richtlinien weiterhin zweckdienlich sind, auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des zunehmenden Online-Handels. Die Ziele der untersuchten Richtlinien lassen sich am besten dadurch erreichen, dass die vorhandenen Vorschriften besser durchgesetzt werden und gleichzeitig das Bewusstsein in diesem Bereich geschärft wird (bei Verbrauchern, Händlern und Durchsetzungsbehörden). Damit stehen Gesetzesänderungen zunächst nicht im Vordergrund, sollen aber weiter geprüft werden (siehe unten).
- Folgende zentrale Probleme führten zu obiger Erkenntnis:
- Nur wenige Länder bieten den Verbrauchern wirksame zivilrechtliche Mittel, mit denen sie ihre Rechte durchsetzen können, wenn sie Opfer von unlauteren Handelspraktiken werden. In einigen Ländern können Unternehmen und Verbraucherorganisationen keine Unterlassungsklagen erheben, um ein Fehlverhalten anzuzeigen. Für den kollektiven Rechtsschutz verfolgen die Mitgliedstaaten weiterhin unterschiedliche Konzepte.
- Die Höhe der Sanktionen für die Verletzung des EU-Verbraucherrechts durch ein Unternehmen variiert stark in den einzelnen Mitgliedstaaten, sodass die Verbraucher unterschiedlich stark geschützt sind und die Unternehmen keine gleichen Ausgangsbedingungen haben.
- Nur vier von zehn Personen wussten, dass sie bei beschädigten Waren Anspruch auf kostenlose Nachbesserung oder Ersatz haben, und nur ein Drittel der Untersuchungsteilnehmer wusste, dass nicht bestellte Produkte weder bezahlt noch zurückgeschickt werden müssen.
- Dementsprechend wurde von der Kommission Handlungsbedarf in drei Bereichen ermittelt:
1) Es muss sichergestellt werden, dass nicht nur Verbraucher, Unternehmer und deren Verbände, sondern auch Richter und sonstige Angehörige von Rechtsberufen eine bessere Kenntnis aller Rechte und Pflichten des EU-Rechts im Bereich Verbraucher und Marketing erwerben. Die Kommission plant somit zielgerichtete Aufklärungskampagnen durchzuführen und erarbeitet bereits mit Interessenträgern auf eine freiwillige Vereinbarung hin, um die Darstellung von AGB und vorvertraglichen Informationen zu verbessern.
2) Bei Verstößen gegen materiell-rechtlichen Bestimmungen muss eine verschärfte Durchsetzung erfolgen und Rechtsbehelfe müssen leichter möglich sein. Die Kommission sieht hier einen Bedarf die Wirksamkeit der Richtlinie über Unterlassungsklagen zu verbessern und Strafen zu erhöhen.
3) Gezielte Änderungen zur Vereinfachung des Regulierungsumfelds sind in Erwägung zu ziehen, wo immer dies voll und ganz gerechtfertigt ist. Hier geht die Kommission erst einmal nicht weiter ins Detail.
Gegenstand des Fitness-Checks waren die folgenden sechs Richtlinien:
- Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Vertragsklauseln;
- Richtlinie 1999/44/EG über Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter;
- Richtlinie 2005/29/EWG über unlautere Geschäftspraktiken;
- Richtlinie 98/6/EG über Preisangaben;
- Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung;
- Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen.
Die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU wurde einer getrennten Bewertung unterzogen, welche ergab, dass die Richtlinie positiv zum Funktionieren des Binnenmarkts beiträgt und ein hohes einheitliches Verbraucherschutzniveau gewährleistet. Künftige Folgemaßnahmen könnten jedoch weitere Sensibilisierungsmaßnahmen und zusätzliche Leitlinien umfassen. Insbesondere erwägt die Kommission Transparenzanforderungen für Online-Plattformen einzuführen.
Bewertung: Der HDE hatte auf Grund des aktuell verbraucherfreundlichen Klimas im Europäischen Parlament und bei der Europäischen Kommission grundsätzlich dafür plädiert, die bestehenden Richtlinien nicht zu überarbeiten, da das Verbraucherschutzniveau bereits absolut ausreichend ist. Diese Forderung deckt sich mit den Schlussfolgerungen des Berichts. Wir werden den weiteren REFIT-Prozess und die Vorbereitung etwaiger Folgemaßnahmen mit genau dieser Linie weiter begleiten.
Nächste Schritte: Um zu prüfen, ob Änderungen von Rechtsvorschriften erforderlich sind, wird die Kommission in 2017 eine öffentlichen Konsultation durchführen, eine Folgenabschätzung vorbereiten und auf der Grundlage der dadurch gewonnenen Erkenntnisse einen Vorschlag für einen (möglichen) Rechtsakt vorlegen. Zur Erinnerung: Die Kommission arbeitet derzeit bereits an der Aktualisierung einiger Verbraucherrechtsvorschriften, der Überarbeitung des Gewährleistungs-/Kaufrechts sowie – im Hinblick auf eine bessere Rechtsdurchsetzung - der Revision der Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen nationalen Verbraucherschutzbehörden (CPC-Verordnung).
>> Hier die Halbzeitbewertung der EU-Kommission zur Digitalen Binnenmarktstrategie downloaden