Die Gesetzgeber diskutieren auf EU-Ebene z.Z. zwei Vorschläge für EU-Richtlinien zur Harmonisierung einzelner Aspekte des Vertragsrechts im Online-Handel. Die geplanten Vorschriften tangieren überwiegend den Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG):
- Vertrieb von Sachgütern (2015/0288/EG)
- Bereitstellung digitaler Inhalte wie Musik(-Downloads), Filme, Software, Spiele, E-Books etc. (2015/0287/EG)
Nachdem im Juni 2017 der Rat der Justizminister seinen Standpunkt zur Richtlinie über die Bereitstellung digitaler Inhalte festgelegt hatte, wurde am 21. November 2017 im Binnenmarkt- und Rechtsauschuss des Europäischen Parlamentes der Bericht der beiden deutschen Berichterstatter Evelyne Gebhardt (SPD) und Axel Voss (CDU) angenommen. Unten finden Sie den Text in englischer Sprache, er wird in Kürze hier auch auf Deutsch verfügbar sein.
Zu den für den Handel wichtigsten Aspekten der Parlamentsposition:
- Integrierte Software & CDs/DVDs: Die Abgeordneten haben sich dafür entschieden, dass Produkte mit integrierter Software (z.B. der „smarte Kühlschrank“) ebenfalls – teilweise - unter diese Richtlinie fallen sollen und nicht vollständig unter jene zum Warenhandel (was der Rat befürwortet). Die Vorschriften dieser Richtlinie gelten nur für die integrierte Software selbst und nicht für die weiteren Bestandteile eines Produktes (Art. 3 Abs. 3). Die Richtlinie findet ebenso Anwendung auf CDs und DVDs, aber hier auch wieder nur auf den digitalen Inhalt und nicht den physischen Träger. Allerdings wurden hier nun klare Regelungen zu Gewährleistungsfrist und Beweislastumkehr vereinbart.
- Gewährleistungsfrist (Artikel 9) und Beweislastumkehr (Artikel 10): Die Kommission schlug ursprünglich eine unbegrenzte Haftung in dieser Richtlinie vor. Die EU-Abgeordneten fordern nun folgendes Modell:
- Für reine digitale Inhalte (z.B. Musikdownloads) beträgt die Gewährleistungsfrist zwei Jahre und zwar EU-weit vollharmonisiert. Der Zeitraum, während dem die Beweislast für die Mangelhaftigkeit beim Anbieter liegt, wird auf ebenfalls zwei Jahre festgelegt.
- Bei dauerhaften Verträgen (z.B. ein Netflix-Abo) – in Abgrenzung zu einem einmaligen Kauf - sind die Gewährleistung und die Umkehr der Beweislast zeitlich nicht begrenzt, sondern nur durch die Vertragslaufzeit selbst.
- Bei Produkten mit integrierter Software (z.B. der „smarte Kühlschrank“) liegt die Gewährleistungsfrist für den integrierten digitalen Inhalt ebenfalls bei zwei Jahren, allerdings dürfen Mitgliedstaaten, die (zum Zeitpunkt des Inkrafttreten dieser Richtlinie) bereits längere Fristen haben, diese beibehalten. In Zukunft kann aber kein Staat über die zweijährige Frist hinausgehen. Der Zeitraum, während dem die Beweislast für die Mangelhaftigkeit (des integrierten digitalen Inhalts) beim Anbieter liegt, wird auf ein Jahr festgesetzt (vollharmonisiert, ohne Öffnungsklausel). Die Kommission hatte zwei Jahre gefordert.
- Gewährleistungsrechte (Artikel 12): Hier haben sich die Abgeordneten – ebenso wie der Rat - gegen eine klare Hierarchie und für mehr Flexibilität entschieden. Allerdings setzten sie Bedingungen, wann statt einer Nachbesserung auch eine Preisminderung/Vertragsbeendigung gewährt werden muss. Im Falle eines geringfügigen Mangels kann der Vertrag nicht aufgehoben werden (Art. 12 Abs. 5). Der Verbraucher soll auch ein Recht auf Nachbesserung haben, wenn ein Sicherheitsmangel bzgl. des digitalen Inhalts besteht (Art. 12a). Das Parlament schützt darüber hinaus ausdrücklich spezifische, nationale Abhilferegelungen zu a) versteckten Mängeln (Frankreich) und b) zum „kurzfristigen Rückgaberecht“ (Großbritannien). Bestehen solche Ausnahmen, können sie auch über das Inkrafttreten der Richtlinie und deren (vermeintliche) Vollharmonisierung der Gewährleistungsrechte hinaus beibehalten (im Fall von a) sogar noch nachträglich individuell eingeführt) werden (Art. 3 Abs. 9).
- Daten als Gegenleistung: Es ist immer noch vorgesehen, dass die Richtlinie auch Anwendung findet, wenn für digitale Inhalte kein Preis gezahlt wird, sondern wenn personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt werden. Wenn personenbezogene Daten vom Anbieter jedoch ausschließlich für die Bereitstellung der digitalen Inhalte verarbeitet werden oder der Anbieter damit rechtliche Anforderungen erfüllt – sprich wenn die personenbezogenen Daten nicht kommerziell genutzt werden - findet die Richtlinie keine Anwendung (Art. 3 Abs. 4). Zudem betrifft dies explizit nur noch personenbezogene Daten und nicht mehr auch „andere Daten“ wie von der Kommission vorgeschlagen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Vertrags über die Bereitstellung digitaler Inhalte mit der Datenschutzgrundverordnung im Einklang stehen muss und dass im Kollisionsfall die Datenschutzvorschriften maßgeblich sind (Artikel -1).
Bewertung: Im Gegensatz zur Ratsposition betrifft diese Richtlinie nach Parlamentsinterpretation neben CDs und DVDs auch Produkte mit integrierter Software. Diese Sichtweise lehnen wir nach wie vor ab, und werden im anstehenden Trilog darauf drängen, dass diese Produkte vollständig unter die Sachgüter-Richtlinie fallen. Allerdings ist hervorzuheben, dass für diese Produktgruppen nun – entgegen des ursprünglichen Vorschlags – klare Fristen für Gewährleistung und Beweislastumkehr gelten sollen. Das ist grundsätzlich positiv zu bewerten, auch wenn die Frist für die Umkehr der Beweislast aus unserer Sicht mit einem Jahr (für in Sachgütern integrierte Software) zu lange ausfällt. Selbstverständlich werden wir die Auswirkungen dieser Einigung auf den Vorschlag zum Warenhandel kritisch beobachten. Da bei der Sachgüter-Richtlinie eine deutlich größere Zahl an Produktgruppen betroffen ist, wäre die hier gesetzte Latte (Beweislastumkehr nach einem Jahr, keine vollharmonisierte Gewährleistungsfrist) keine ideale Blaupause.
Nächste Schritte: Rat und Parlament haben nun beide ihre Position, müssen sich gemeinsam auf einen Text einigen, um das Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss zu bringen. Damit kann nicht vor Frühjahr 2018 gerechnet werden. Die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission werden aber wohl noch dieses Jahr beginnen. Da der Rat sich mit dem Sachgüter-Vorschlag nur sehr zaghaft befasst wird eine Einigung zu dieser „Schwester-Richtlinie“ noch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Hierzu wird das Parlament seinen Standpunkt nicht vor Januar 2018 annehmen.