Am 18. Januar 2018 hat die EU-Kommission zwei weitere Richtlinienentwürfe zur Reform der europäischen Mehrwertsteuer vorgestellt. Damit werden zum einen die derzeitigen Restriktionen für die Anwendung ermäßigter Steuersätze gelockert und zum anderen ausgeweitete Mehwertsteuerausnahmen und administrative Erleichterungen für KMU eingeführt.
Zersplitterte EU-Steuersätze erschweren Umsatzsteuererhebung
Nach dem ersten Richtlinienentwurf werden die derzeitigen Restriktionen für die Anwendung ermäßigter Steuersätze gelockert. Derzeit dürfen nach Art. 99 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie für bestimmte abschließend aufgezählte Waren und Dienstleistungen maximal zwei ermäßigte Umsatzsteuersätze durch die Mitgliedstaaten eingeführt werden. Dabei darf ein Mindeststeuersatz von 5% nicht unterschritten werden.
Nach dem nun vorliegenden Vorschlag der EU-Kommission soll es den Mitgliedstaaten erlaubt werden, zusätzlich einen 0%-Steuersatz und einen Steuersatz zwischen 0% und 5% einzuführen. Der bisherige Positivkatalog der ermäßigt besteuerbaren Gegenstände wird abgeschafft. Stattdessen soll es eine Negativliste geben, die Waren und Dienstleistungen enthält, die nicht ermäßigt besteuert werden dürfen, wie Waffen, alkoholische Getränke oder Glücksspiel. Um ein ausreichendes Umsatzsteueraufkommen zu gewährleisten, wird den Mitgliedstaaten allerdings vorgegeben, dass der gewogene durchschnittliche Mehrwertsteuersatz 12% nicht unterschreitet. Damit gibt die EU-Kommission im Bereich der Steuersätze das Harmonisierungsziel weitgehend auf. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen bedeutet dies eine Verkomplizierung in der Administration der Umsatzsteuer. Die Richtlinie soll spätestens zeitgleich mit der Einführung der ebenfalls von der EU-Kommission vorgeschlagenen Besteuerung im Bestimmungsstaat umgesetzt werden.
KMU können von Umsatzsteuererhebung ausgenommen werden
Der zweite Richtlinienvorschlag zielt auf Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ab. Im Mittelpunkt steht dabei die Öffnung der nationalen Kleinunternehmerregelungen gegenüber nicht ansässigen Unternehmen. Nach den derzeitigen Regelungen dürfen die Mitgliedstaaten Unternehmen, die eine bestimmte Jahresumsatzgrenze nicht überschreiten, von der Umsatzsteuer befreien. In Deutschland gilt derzeit eine Jahresumsatzgrenze von 17.500 EUR. Die Kleinunternehmerregelungen gelten allerdings nur für inländische Unternehmen. Das will die EU-Kommission ändern. Künftig sollen die nationalen Kleinunternehmerregelungen auch für nicht im Inland ansässige Unternehmen gelten. Es sollen allerdings nur solche Unternehmen profitieren, die EU-weit nicht mehr als 100.000 EUR Jahresumsatz erzielen. Das würde bedeuten, dass kleine deutsche Unternehmen mit gelegentlichen Umsätzen im EU-Ausland dort u.U. nicht mehr Umsatzsteuer abführen müssten. Das ist zwar eine erhebliche Erleichterung für Unternehmen, die die Voraussetzungen erfüllen. Im Bereich des Einzelhandels dürften die Kleinunternehmerregelungen allerdings wenig Bedeutung haben, da die Umsatzgrenzen auch von kleinen Unternehmen schnell überschritten werden.
Der Richtlinienvorschlag sieht immerhin weitere Erleichterungen auch für solche KMU vor, die die Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung nicht erfüllen und deshalb mit ihren Umsätzen der Umsatzsteuer unterliegen. Vorgesehen sind administrative Erleichterungen z.B. bei der Rechnungsaufbewahrung und bei der Häufigkeit der Abgabe von Umsatzsteuererklärungen. Die Erleichterungen sollen aber nur für KMU gelten, deren Jahresumsatz 2 Mio. EUR nicht überschreitet. Eine Umsetzung in nationales Recht soll bis Juli 2022 erfolgen.