Die Gesetzgeber diskutieren auf EU-Ebene z.Z. zwei Vorschläge für EU-Richtlinien zur Harmonisierung einzelner Aspekte des Vertragsrechts im Online-Handel. Nun gab es im Rat der Justizminister eine Einigung zum Vorschlag über digitale Inhalte (der Sachgüter-Vorschlag wurde dort noch nicht diskutiert). Die geplanten Vorschriften tangieren überwiegend den Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG):
- Vertrieb von Sachgütern (2015/0288/EG)
- Bereitstellung digitaler Inhalte wie Musik(-Downloads), Filme, Software, Spiele, E-Books etc. (2015/0287/EG)
Zu den für den Handel wichtigsten Aspekten der Ratsposition:
- Integrierte Software: Der Rat hat sich hier für die explizit vom HDE vertretene Position entschieden, dass Waren mit integrierter Software (z.B. der „smarte Kühlschrank“) nicht unter die Richtlinie für digitale Inhalte, sondern über jene zum Warenhandel fallen sollen.
- CDs und DVDs: Die Richtlinie findet allerdings nach wie vor Anwendung auf physische Güter, wenn diese ausschließlich als Träger für einen digitalen Inhalt dienen. Diese Regelung mach insofern Sinn, als dass die gleichen Vorschriften gelten sollen, unabhängig davon ob ein Film z.B. heruntergeladen oder auf einer DVD gekauft wird.
- Gewährleistungsfrist: Die Kommission schlug ursprünglich eine unbegrenzte Haftung vor. Der Rat legt nun eine Gewährleistungsfrist von „nicht weniger“ als zwei Jahren fest. Damit können die Mitgliedstaaten darüber hinausgehen und die Ratsposition weicht in diesem Punkt vom grundsätzlichen Ansatz der Vollharmonisierung ab.
- Beweislastumkehr: Der Zeitraum, während dem die Beweislast für die Mangelhaftigkeit beim Anbieter liegt, wird auf ein Jahr festgesetzt (ohne Öffnungsklausel). Die Kommission hatte zwei Jahre gefordert. Die Fristen gelten nur für Verträge mit einer „einmaligen Bereitstellung“ von digitalen Inhalten (z.B. Kauf einer CD oder eines Musikdownloads) – in Abgrenzung zu dauerhaften Verträgen (z.B. Streaming-Abo oder Cloud-Speicherdienst).
- Rangfolge der Gewährleistungsrechte: Hier hat sich der Rat gegen eine klare Hierarchie entschieden und sieht mehr Flexibilität für die Umsetzung auf nationaler Ebene vor. Allerdings setzt er klare Bedingungen, wann statt einer Nachbesserung auch eine Preisminderung/Vertragsbeendigung gewährt werden muss.
- Daten als Gegenleistung: Es ist immer noch vorgesehen, dass die Richtlinie auch Anwendung findet, wenn für digitale Inhalte kein Preis gezahlt wird, sondern wenn personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt werden. Wenn personenbezogene Daten vom Anbieter jedoch ausschließlich für die Bereitstellung der digitalen Inhalte verarbeitet werden oder damit der Anbieter rechtliche Anforderungen erfüllt – sprich wenn die personenbezogenen Daten nicht kommerziell genutzt werden - findet die Richtlinie keine Anwendung. Zudem betrifft dies explizit nur noch personenbezogene Daten und nicht mehr auch „andere Daten“ wie von der Kommission vorgeschlagen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen eines Vertrags über die Bereitstellung digitaler Inhalte mit der Datenschutzgrundverordnung im Einklang stehen muss und dass im Kollisionsfall die Datenschutzvorschriften maßgeblich sind.
Bewertung: Durch die von uns erzielten Lobbyerfolge betrifft diese Richtlinie – was den „klassischen Handel“ angeht (kein Vertrieb von Software, Musik-/Filmdownloads, etc.) – im Prinzip nur noch den Verkauf von CDs und DVDs. Selbst für diese kleine Produktgruppe gelten nun – entgegen des ursprünglichen Vorschlags – klare Fristen für Gewährleistung und Beweislastumkehr. Damit liegt hier ein zufriedenstellendes Ergebnis vor. Nun gilt es das Parlament davon zu überzeugen, die positiven Aspekte der Ratsposition zu übernehmen. Gleichzeitig werden wir die Auswirkungen dieser Einigung auf den Vorschlag zum Warenhandel kritisch beobachten. Da bei der Sachgüter-Richtlinie eine deutlich größere Zahl an Produktgruppen betroffen ist, wäre die hier gesetzte Latte (Beweislastumkehr nach einem Jahr, keine vollharmonisierte Gewährleistungsfrist) keine ideale Blaupause.
Nächste Schritte: Die Abstimmung des Berichts zu den digitalen Inhalten von Evelyne Gebhardt (DE, S&D) und Axel Voss (DE, EVP) im Europäischen Parlament ist von Ende Mai auf Ende September 2017 verschoben worden. Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament und Rat werden also keinesfalls vor Herbst 2017 beginnen. Da der Rat sich mit dem Sachgüter-Vorschlag noch immer nicht befasst wird eine Einigung zu dieser „Schwester-Richtlinie“ noch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Hierzu soll das Parlament Anfang Oktober 2017 seinen Standpunkt annehmen.