Der Gesetzesentwurf der Kommission zum Geoblocking verpflichtet Händler, an alle Verbraucher in der EU zu verkaufen (nicht zu liefern) und ihnen uneingeschränkten Zugang zu den jeweiligen Webshops zu gewähren. Ausländische Verbraucher sollen dabei genauso behandelt werden wie inländische Kunden, bzw. wie wenn sie ein Produkt offline in einem Laden erwerben. Der HDE sieht den Vorschlag sehr kritisch, besonders da die Auferlegung eines Vertragsabschlusszwanges einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit darstellt.
Nachdem am 29. November 2016 der EU-Wettbewerbsrat seine Textversion - mit einigen Verbesserungen für die Wirtschaft - angenommen hatte, wurde nun der Berichtsder zuständigen Berichterstatterin Roza von Thun und Hohenstein (PL, EVP) aus dem Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentes im Ausschuss abgestimmt und mit großer Mehrheit angenommen (30 zu 3 Stimmen).
Zu den wichtigsten Punkten der Parlamentsposition:
- Anwendbares Recht: Was die wichtigste Unklarheit im Kommissionsvorschlag angeht, hat das Parlament letztendlich leider für wenig Fortschritt und damit für viel Rechtsunsicherheit gesorgt. Es ist nach wie vor unklar, welches Recht bei einem grenzüberschreitenden Verkauf zur Anwendung kommt, das des Händlers oder das des Verbrauchers. Die Abgeordneten legten in dem Bericht lediglich fest, dass durch Befolgen der Gebote und Pflichten dieser Verordnung selbst kein Ausrichten der unternehmerischen Tätigkeit auf ein bestimmtes Land vorliegt (was nach der Rom I-Verordnung die Anwendung des Rechts des Verbrauchers zur Folge hätte). Wann bzw. durch welche Tatsachen dies aber der Fall ist, wird nicht (abschließend) geklärt. Damit konnte bei der entscheidenden Frage des anwendbaren Rechts bei einem durch die Verordnung erzwungenen, grenzüberschreitenden Verkauf, keine rechtssichere Regelung gefunden werden. Händler können immer noch in die Falle tappen, ihre Tätigkeit ungewollt auf ein bestimmtes Land auszurichten und dann in der Folge nach dem Verbraucherrecht diese Landes verklagt werden. Es besteht also jetzt große Rechtsunsicherheit, welches Recht bei einem solchen Kauf (Händler im Land nicht aktiv, Verbraucher möchte trotzdem kaufen und holt Ware im Land des Händlers ab) tatsächlich Anwendung findet, was voraussichtlich erst durch konkrete Rechtsfälle und Gerichtsverfahren geklärt werden kann.
- Zahlungsmethoden:
- Hier wurde ein noch besserer Sicherheitsmechanismus aufgenommen wie in der Ratsposition: Besteht das Risiko eines Zahlungsausfalls, darf der Händler, die Ware zurückzuhalten, bis er eine Bestätigung erhalten hat, dass der Zahlungsvorgang ordnungsgemäß eingeleitet wurde. Im Falle von bzw. statt Lastschriftzahlung darf der Händler sogar explizit eine Vorauszahlung per SEPA-Banküberweisung verlangen (bevor er die Ware versendet), um sicherzustellen, dass der Kunde seiner Zahlungsverpflichtung nachkommt.
- Händler, die ein kartengebundenes Zahlungsinstrument einer bestimmten Marke und Kategorie akzeptieren (z.B. Mastercard Kreditkarte), sind nicht verpflichtet, kartengebundene Zahlungsinstrumente derselben Kategorie aber einer anderen Marke zu akzeptieren (z.B. Visa Kreditkarte). Auch müssen Händler, wenn sie Debitkarten einer bestimmten Marke akzeptieren, nicht auch die Kreditkarten dieser Marke akzeptieren.
- Ein Anbieter, der Überweisungen oder Lastschriften akzeptiert, ist ferner nicht verpflichtet, die Zahlung zu akzeptieren, wenn er dafür einen neuen oder geänderten Vertrag mit einem Zahlungsdienstleister schließen muss.
- Re-Routing: Wenn ein Kunde auf eine andere Webseite umgeleitet wird, darf dies nur mit ausdrücklicher Zustimmung geschehen. Allerdings muss ein Händler diese Zustimmung nicht erneut einholen, wenn ein Verbraucher wiederholt dieselbe Seite besucht, die Zustimmung ist dann auch für zukünftige Besuche gültig.
- Lieferung & Abholung:
- Es wird deutliche gemacht, dass es nach wie vor möglich ist, verschiedene Ländershops mit unterschiedlichen Bedingungen und Preisen zu betreiben.
- Zudem soll der Kunde nur die Möglichkeit haben, die Ware beim Händler abzuholen, wenn jener diese Option in seinen AGB auch vorsieht, bzw. beide Seiten sich darauf einigen.
- Innerstaatliche Sachverhalte: Es wird klargestellt, dass die Verordnung keine Anwendung findet, wenn es sich um rein interne Gegebenheiten in einem einzelnen Mitgliedstaat handelt. Es bleibt damit nach wie vor möglich auch innerhalb eines Landes nicht überall hin (z.B. auf entlegene Inseln) zu verkaufen und zu liefern, wie im Lebensmittel-Online-Handel zur Zeit weitgehend der Fall. In der Ratsposition ist ein ähnlicher Passus enthalten.
- B2B: Verträge zwischen Unternehmen sind nach dem Bericht vom Geoblocking-Verbot ausgenommen, sodass die Verordnung nur für B2C-Verträge gilt. Daher wurde im gesamten Text die Bezeichnung „Kunde“ durch „Verbraucher“ ersetzt.
- Digitale Inhalte:Der Anwendungsbereich der Verordnung wurde durch den Bericht auf sog. nicht-audiovisuelle, urheberrechtlich geschützte Inhalte wie Videospiele, Musik oder eBooks erweitert. Diese müssen damit online auch grenzüberschreitend zur Verfügung gestellt werden.
- Passive Verkäufe: Was Vereinbarungen über passive Verkaufsgeschäfte betrifft, sollen Bestimmungen, durch die Anbietern Beschränkungen bzgl. passiver Verkaufsgeschäfte i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 330/2010 auferlegt werden, die gegen die Geoblocking-Verordnung verstoßen, automatisch nichtig sind. Hier weicht der Bericht von der Ratsposition ab, die besagt, dass die Diskriminierungsverbote bei Vereinbarungen über die Beschränkung passiver Verkäufe nicht gelten.
Bewertung: Wir konnten in diesem Text weitere Verbesserungen erreichen, insbesondere beim Thema Zahlungsmethoden. Die hier aufgenommene Sicherheitsklausel für Händler zur Minimierung von Zahlungsrisiken ist maßgeblich der intensiven Arbeit des HDE zu verdanken. Im Hinblick auf den Trilog werden wir unsere Arbeit weiter fortsetzen werden, insbesondere in Bezug auf die zentrale Frage des anwendbaren Rechts bei grenzüberschreitenden Verkäufen. Allerdings besteht hier wenig Hoffnung auf substanzielle Verbesserungen, da sich die Positionen von Rat und Parlament schon sehr ähnlich sind. Tatsächliche Klarheit werden hier voraussichtlich nur die Gerichte bringen. Der HDE wird dennoch die guten Beziehungen zu den Institutionen sowie dem federführenden BMWi nutzen, um weitere Verbesserungen am Text zu erwirken.
Nächste Schritte: Rat und Parlament müssen sich gemeinsam auf einen Text einigen, um das Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss zu bringen. Damit kann nicht vor Mitte 2017 gerechnet werden. Da die Ratsposition bereits seit November 2016 vorliegt, wird man jetzt zügig mit den Trilog-Verhandlungen beginnen. Ein Abschluss der Gespräche unter dem Vorsitz der maltesischen Ratspräsidentschaft bis Ende Juni 2017 ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Die finale Abstimmung im EP-Plenum wird aber erst nach dem Sommer stattfinden.